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Samstag, 26. Oktober 2013

Spanische Tortilla - Tortilla Española

Das Backen einer guten Tortilla española ist vor allem Übungssache, denn man braucht ziemlich viel Übung, bis die Tortilla so gelingt, wie sie sein soll: kreisrund, gelb und glänzend wie die Sonnenscheibe. Am Anfang gibt es mangels genau dieser Erfahrung in der Regel kleine bis mittlere Katastrophen: Die Tortilla fällt beim Wenden auseinander und sieht eher einem zerfetzten Rührei ähnlich oder die Tortilla landet beim Wenden auf dem Fußboden oder sie ist innen nicht durch, aber außen schon fast verbrannt oder die Kartoffeln sind noch hart, etc., etc. Wenn man die ersten fünfzig Tortillas zubereitet hat, kommt man der Perfektion allmählich näher.  Nur wann es soweit ist, daß man die Tortilla mit einem lockeren Schwung aus dem Handgelenk aus der Pfanne in die Luft werfen und umdrehen kann, ohne daß sie zur Freude der Katzen auf dem Küchenboden landet, ist mir noch nicht klar.
Der Spezialist im Backen einer spanischen Tortilla ist bei uns der beste aller Testesser. So gut wie er die Tortilla Española backt, gelingt sie mir nicht. Folglich überlasse ich dem besten Tortillabäcker auch gern den Herd, wenn wir eine Tortilla española essen wollen.

Der größte Fehler, den man beim Herstellen einer Tortilla española machen kann, ist die Eier kräftig zu verschlagen. Dann gelingt sie garantiert nicht. Man darf die Eier nur verrühren. Auch ist die Tortilla española nicht gerade ein Schnellgericht, denn die Herstellung einer Tortilla española braucht Zeit. Man muß schon mit mindestens 30 Minuten rechnen, denn sie wird auf kleiner Flamme gebraten. Ob man Zwiebel verwendet oder nicht, hängt von der Region in Spanien ab.
Der Ursprung der Tortilla española könnte, wie der Wissenschaftler Javier López Linage meint, in der Extremadura liegen, genauer gesagt in dem Ort Villanueva de la Serena. In seinen Untersuchungen zeigt der Wissenschaftler, daß in dieser Gegend bereits im 18. Jahrhundert von der Tortilla de patatas gesprochen wurde. Da soll es ein Rezept gegeben haben, das besagt " ...zwei oder drei Eier in einer Tortilla für fünf oder sechs Personen, denn unsere Frauen können daraus eine große und dicke Tortilla backen, wenn sie die Eier mit Kartoffeln oder Brot vermischen...".
López Linage bezieht sich in seinen Untersuchungen auch auf ein Rezept des Marquis de Robledo, der im 18. Jahrhundert, als Hungersnot in der Extremadura und ganz Spanien herrschte, ein Nahrungsmittel suchte, das billig war und den Hunger stillte. Der Herr Marquis ließ kleine "Törtchen aus Kartoffeln und Eiern" in der Pfanne backen, die die ersten Tortillas españolas gewesen sein könnten.
Eine ganz andere Version berichtet, daß die Tortilla española gar keine spanische sondern eine belgische Erfindung gewesen sei. Lancelot de Casteau, Koch dreier Erzbischöfe von Liège, habe die Tortilla española erfunden. Der Koch erwähnt sie in seinem etwas seltsamen Kochbuch Overture deCuisine, das 1604 in Liège erschien. Er beschreibt in diesem Kochbuch eine tourte de tartoufola, wie Casteau die Kartoffel nennt.
 Der Gastronomie Journalist Jorge Guitián hat dazu eine vernünftige Theorie, die beide Lager verbindet: Er ist der Meinung, die Tortilla española sei Ende des 16. Jahrhunderts wohl gleichzeitig in Belgien und in den damals noch in Spanien bestehenden Gemeinden jüdischer Konversos (zum Christentum konvertierte sephardische Juden) erfunden worden, als einfaches Nahrungsmittel, das den Hunger stillte. Den Namen Tortilla española bekam diese Gericht erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrunderts, als die Tortilla aus dem Schattendasein des Arme-Leute-Essens heraustrat.
In den schlechten Zeiten während des spanischen Bürgerkrieges waren die Spanier so arm, daß sie sich nicht einmal die Eier für eine Tortilla leisten konnte. Man mischte die Kartoffeln mit Mehl und Wasser. Als dann nach dem Bürgerkrieg unter der Dikatur Francos noch schlechtere Zeiten ausbrachen und die Spanier hungerten, mußten sich die spanischen Hausfrauen etwas einfallen lassen um ihre oft sehr zahlreichen Familien wenigstens halbwegs satt zu bekommen. Von 1939 bis 1952 waren die Lebensmittel rationiert und nur wer Lebensmittelkarten hatte, konnte etwas Eßbares einkaufen. Aber auch von 125 g Fleisch, 1/4 l Olivenöl, 250 g schwarzes Brot, 100 g Reis, 100 g Linsen oder Kichererbsen, 1 Ei und 1 Stückchen Schinkenknochen pro Kopf und Woche wurde niemand wirklich satt, schon gar nicht der Teil der Bevölkerung, der körperlich schwer arbeiten musste. Damals entstand das kuriose Rezepte der Tortilla de patatas sin patatas y huevos (Tortilla mit Kartoffeln ohne Kartoffeln und Eier). Das Weiße der Orangen und die Zwischenhäute der Orangensegmente wurden aufgehoben. Wollte man eine "Tortilla" backen, wurden die Teile eingeweicht und an Stelle der Kartoffeln verwendet. Die Eier ersetzte man durch eine Mischung aus 4 EL Mehl und 10 EL Wasser, vermischt mit einer Prise Bikarbonat, gemahlenem Paprika, Öl, Salz und gelbem Lebensmittelfarbstoff, um wenigsten optisch den Eindruck von Eiern zu erreichen.
Zum Glück sind wir wieder von den Tortillas deconstruidas, die in der Blütezeit Molekularküche von Ferran Adrias in vielen Restaurants in Spanien serviert sind wurden - geschlagenes Ei in einem Cocktailglas in dem ein Kartoffelchip schwamm - wieder abgekommen.  Darüber hat der Kabarettist Leo Harlem eine herrliche Parodie geschrieben.
Heute gehört die Tortilla zum traditionellen Repertoire jeder spanischen Hausfrau und jedes spanischen Kochs. Man ißt sie pur zum zweiten Frühstück oder mit einem Salat als leichtes Abendessen, warm oder kalt, als Brotbelag auf einer barra (Stangenweißbrot) oder in Stücke geschnitten mit einem Zahnstocher versehen als Tapa.
Tortilla Española - Spanische Tortilla mit Kartoffeln
4 Eier
500 g Kartoffeln
Olivenöl zum Braten
Salz
frisch gemahlener Pfeffer

Kartoffeln schälen, längs vierteln und in feine Scheiben schneiden. Reichlich Olivenöl in einer Pfanne erhitzen. Die Kartoffeln im heißen Olivenöl bei schwacher Hitze langsam braten, bis sie goldbraun sind. Dann die Kartoffeln mit einem Schaumlöffel aus der Pfanne nehmen und auf Küchenpapier legen, um das Öl zu entfernen. Das überschüssige Öl aus der Pfanne abgießen.

Die Eier mit einer Prise Salz gut verrühren. Die gebratenen Kartoffeln mit den Eiern mischen.
Die Pfanne erneut auf den Herd stellen und erhitzen. Die Eier-Kartoffel-Mischung in die Pfanne gießen und bei schwacher Hitze braten. Wenn man sieht, daß die Masse anfängt zu stocken, kommt der entscheidende Moment. Mit Hilfe eines flachen Tellers oder Topfdeckels wird die Tortilla gewendet.  Dann lässt man sie vorsichtig wieder in die Pfanne gleiten und brät sie weitere 10-15 Minuten bei schwacher Hitze.
Wer's kann und wer sich traut, darf die Tortilla auch mit einem lockeren Schwung aus dem Handgelenk zum Wenden durch die Luft werfen. Ich kann's nicht.


Und weil das gerade so schön passt, ist das auch mein Beitrag zu Zorras XCIII Blog Event, den Nele von Küchendelikte unter dem Titel Spanien kulinarisch veranstaltet.
Blog-Event XCIII - Spanien kulinarisch (Einsendeschluss 15. November 2013)

7 Kommentare:

  1. Die Tortilla finde ich auch super lecker, mache ich öfters mal. Ich mache immer Zwiebeln, Knoblauch und noch eine Prise Muskat mit rein. In welcher Region Spaniens macht man die den mit Zwiebeln und wo nicht?

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  2. Das war das erste spanische Gericht, das ich in sehr jungen Jahren bei einer spanischen Gastfamilie kochen lernte.

    Nimmst du auch so viel Öl, dass die Erdäpfeln richtig frittiert werden? Oder einfach viel Öl und normal braten?

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  3. @Foddzeit Blogger: Meines Wissens wird die Tortilla española eher im Norden Spaniens mit Zwiebeln gemacht. Knoblauch oder Muskat verwendet man gar nicht, es sei denn, man macht eine Tortilla mit jungem Knoblauch, dann aber ohne Kartoffeln.

    @Turbohausfrau: Viel Olivenöl für die Kartoffeln verwenden wir auch. Sie werden bei uns aber gebraten und nicht frittiert. Das überschüssige Öl wird abgegossen, wenn die Masse mit den Eiern wieder in die Pfanne kommt.

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  4. Ahh Tortilla de patata ist einfach genial!
    Ich mache die Tortilla mit Zwiebel auch und vielllll öl :)
    Qué hambre!!
    Cristina

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  5. Ich liebe Tortilla. :-) Das war früher an Spätsommerabenden immer das perfekte Essen...

    Vielen Dank für Deinen Beitrag zu meinem kleinen Blogevent. :-)

    Liebe Grüße,
    Nele

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  6. @Nele: Bitteschön....Tortilla schmeckt immer ;-)

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