Ein wenig schmunzeln mußte ich beim Durchblättern des Kochbuchs schon. Meine deutsche Ausgabe ist von 1977. Erst ein Jahr zuvor war die französische Version bei Flammarion in Paris erschienen. Die Übersetzung und Bearbeitung der deutschen Ausgabe stammt übrigens von Bernd und Isabelle Neuner-Duttenhofer. Der Journalist war damals Leiter der Kochressorts der Zeitschrift "Meine Familie und ich" und noch nicht mit Martina Meuth zusammen. Ob Neuner-Duttenhofers Übersetzung von Bocuse Kochbuch deswegen so steif und unbeholfen klingt?
Doch ich komme vom Thema ab. Nicht die Übersetzung amüsierte mich, sondern viele der Rezepte. Für die 1970er Jahre waren sie tatsächlich neu und das Kochbuch trug den Untertitel Die Neue Küche zu Recht...
Die 1970er Jahre waren in Deutschland die Zeit der Hawaiitoasts, der
Mehlschwitzen, des zerkochten Gemüses, der übergarten Braten, der Dosenware,
der viel bewunderten Tiefkühlkost, der Maggiwürze. Pfeffersteak mit Pommes
Frites, Königinpastete oder Schnitzel
garniert mit allerlei exotischen Früchten, galten allgemein als Gipfel der
Gourmandise. Der Wienerwald hatte Hochkonjunktur mit seinen Hendln. 1971 wurde die erste
McDonald's Filiale in München eröffnet. Wenig später die erste in Stuttgart. Dort aß ich auch meinen ersten und letzten Hamburger!
Die verfeinerte
Eßkultur der Franzosen war in der Bundesrepublik bis weit in die 1970er
Jahre mit einem Geruch von Dekadenz behaftet. Die Mehrheit
der Deutschen stand der Nouvelle Cuisine
, der Neuen Küche mißtrauisch und ablehnend gegenüber. Interessant fand ich damals schon, daß
sich viele mehr über die großen Teller mit
nix drauf aufregten, als über die neuen Zubereitungs- und Geschmacksarten. Die Köche, die sich begeistert der Nouvelle Cuisine verschrieben hatten, mußten ganz schön kämpfen, um ihre Gäste nicht zu verlieren. Eine Zeit lang gab es in manchen Restaurants sogar zwei Speisekarten: Nouvelle Cuisine und traditionelle deutsche Küche. Und heute kommen mir die Rezepte von Bocuse eher liebenswert altmodisch vor. Trotzdem haben sie nichts von ihrem Reiz verloren.
Das Hähnchenragout mit Morcheln war damals sensationell. Nicht nur wegen des guten Geschmacks, für den die Morcheln sorgten, sondern wegen der Sauce. Sie wird weder mit Mehl noch mit Sahne gebunden, sondern etwas eingekocht (heute nennt man das reduziert) und erst kurz vor dem Servieren mit eiskalten Butterflöckchen montiert.
Au fait: Bon anniversaire Monsieur Bocuse et tous mes meilleurs voeux de bonheur et de santé !
Au fait: Bon anniversaire Monsieur Bocuse et tous mes meilleurs voeux de bonheur et de santé !
Hähnchenragout mit Morcheln
nach Paul Bocuse
1 Brathähnchen
55 g
Butter
3 EL Öl
20 g
getrocknete Morcheln oder 200
g frische Morcheln (gibt's aber um diese Jahreszeit nicht)
1 kleine Schalotte
1/8 l trockener Weißwein
6 EL Kalbsfond
2 Stengel glatte Petersilie
Das Hähnchen in 6-8 Stücke zerlegen. Die Haut abziehen.
Hähnchenstücke salzen und pfeffern. Getrocknete Morcheln in 100 ml warmem Wasser
einweichen. Schalotte häuten und fein hacken.
Die Hälfte der Butter und 2 EL Öl erhitzen. Fleischstücke im
heißen Fett von allen Seiten goldbraun anbraten. Herausnehmen und warm halten. Bocuse schiebt den Topf nach dem Anbraten der
Fleischstücke für fünf Minuten in den Backofen. Dafür wollte ich meinen Backofen nicht extra anheizen.
Das restliche Öl zum Bratfett geben. Schalotten und abgetropfte Morcheln im heißen Fett circa 3 Minuten bei starker Hitze anschwitzen. Mit Salz und Pfeffer würzen. Hitze verringern. Fleischstücke außer den Bruststücken wieder in den Topf geben. Zugedeckt bei schwacher Hitze 5-8 Minuten köcheln. Einweichflüssigkeit und Weißwein angießen und bei starker Hitze fast vollständig einkochen lassen. Nun den Kalbsfond zugeben und in 2-3 Minuten etwas einkochen. Jetzt kommen die Bruststücke in den Topf. Bei schwacher Hitze darf das Ragout zugedeckt noch circa 10 Minuten durchziehen.
Vor dem Servieren die Fleischstücke aus dem Topf nehmen, auf
eine vorgewärmte Platte legen und warm stellen. 30 g eiskalte Butterflöckchen rasch in
die Sauce hineinarbeiten. Abschmecken und gegebenenfalls nachwürzen. Sauce über
die Hähnchenstücke gießen und servieren. Wer will kann noch fein geschnittene Petersilie darüber streuen.
Wir haben Basmatireis dazu gegessen und einen Salat aus
jungen, zarten Spinat- und Rote-Bete-Blättern mit einer Vinaigrette aus süßem,
spanischem Balsámicoessig und mildem Olivenöl der Sorte Empeltre aus Aragón.
2 Kommentare:
Da scheinst du ja auch eine große Kochbuchsammlung und auch richtig gute Klassiker zu haben. Unsere Sammlung beläuft sich bestimmt auf so ca. 100 :-)
Wir haben von Bocuse das "Paul Bocuse Standardkochbuch". Ist super zum nachschlagen für die klassischen Grundrezepte, Soßen und so weiter. Da kann man nix falsch machen :-)
Schade, dass es ohne Bilder ist. Hat dein Kochbuch denn Bilder?
LG, Sanni und Benni
@Benni und Sanni: So rund 1000 Kochbücher habe ich und dazu einige tausend Rezepte in zahllosen Leitzordnern gesammelt. Mein Bocuse hat auch nur wenige Fotos. Das war in der Entstehungs in den 1970er Jahren nocht nicht so üblich wie heute...
Kommentar veröffentlichen