Donnerstag, 20. November 2014

Nicht nur von Spätzle leben die Schwaben: Schneiderflecken mit Zwiebel-Schinkenwurst-Schmälze

Peter G. Spandl veranstaltet in seinem schönen Blog Aus meinem Kochtopf  einen Event, bei dem deutsche Nudelgerichte gefragt sind. Keine spanischen, wie Peter mir versicherte. Also gut. Da ich auch sozusagen Wahlschwäbin bin und das Schwabenland als Hochburg der Nudel gilt, sollte es also ein schwäbisches Nudelgericht werden. Aber welches? Auf Spätzle, Maultaschen, Gaisburger Marsch und Co. hatte ich nicht wirklich Lust. Das ist alles im wahrsten Sinn des Wortes schon recht abgenudelt. Folglich habe ich in meinen diversen schwäbischen Kochbuchschätzle geblättert, um ein ganz anderes, schwäbisches Nudelgericht zu finden. Doch weder im Zazenhäuser Kochbüchle noch im Kochbuch der Igersheimer Hausfrauen und auch nicht im Zwetschgenzipfel der Hausfrauen aus Waiblingen-Neustadt wurde ich fündig. Wohl aber in einem Kochbuch, das schon viel zu lange unbeachtet in meinen Kochbuchregalen steht. Das Stuttgarter Kochkolleg gab 1985 beim Hädecke Verlag ein Kochbuch mit dem Titel Das schwäbische Vesper heraus. Josef Thaller, gebürtiger Münchner und Herausgeber mehrerer Kochbücher, die sich vorwiegend mit der feinen deutschen Regionalküche befassen, hat sich besonders auch als Begründer und Vorsitzender des angesehenen Stuttgarter Kochkollegs einen Namen gemacht. Thaller stellt in diesem, mit originellen Radierungen von Simon Dittrich und appetitanregenden Fotos von Edith Gerlach illustrierten Buch Gerichte vor, die die Schwaben zum Vesper essen. Das schwäbische Versper, heißt es im Vorwort, "...ist mehr als nur bloße Nahrungsaufnahme. Es dient gleichermaßen der Restaurierung von Körper wie Gemüt...und gibt dem Tag die notwendige, sinnvolle  Einteilung in Arbeit und schöpferische Pause...". 
Das was die Schwaben so vespern, ist erstaunlich. Das Angebot reicht von Schwartenmagen und Backsteinkäs', über Tellersulz, saure Nierle oder Leber, Tellerfleisch, Bratwurst, Peitschenstecken bis zu Rettich, Lugeleskäs, Laugenwecke und Laugenbrezeln. Ganz nach dem Motto: Guet 'gveschpert isch halb gschafft. Nur so nebenbei gesagt, in Spanien gibt es etwas ähnliches, das almuerzo. Das ist eine Art zweites Frühstück, bei dem ebenfalls kräftiges und deftiges Essen serviert wird.

In diesen Kochbuch fand ich ein Rezept des Kochs Fritz Kompa, der einst in Reutlingen in Kompa's Restaurant  seine Gäste verwöhnte. Meine Recherchen im Internet haben übrigens nichts mehr zur Person Kompa ergeben. Offenbar gibt es das Restaurant Kompa nicht mehr. Das frühere Hotel Ernst, zu dem das Restaurant gehörte, beherbergt heute ein chinesisches Lokal.
Für den Schneiderfleck gibt es mehrere schwäbische Versionen: Im ostschwäbischen Aalen ißt man sie gern süß. Viereckige Teigstücke aus süßem Hefeteig werden in eine Backform gelegt und mit Butter bestrichen gebacken. Auf der schwäbischen Alb, wo es im Winter heftig kalt sein kann, ist der Schneiderfleck deftig.  Hier wird der Hefeteig mit Zwiebeln und Speck zubereitet.
Ganz anders hat Fritz Kampa seine Schneiderflecken gekocht. Er machte sie als urschwäbische Version aus Nudelteig. Davon habe ich mich inspirieren lassen. Den Nudelteig habe ich allerdings nach meinem Rezept zubereitet, mit Dinkelmehl und Hartweizendunst.
Der Clou an diesem Gericht ist die Schmälze aus rösch gebratener Schinkenwurst und Zwiebeln. Die schwäbische Schinkenwurst ist eine Wurst, die mit Pfeffer, Macis, Ingwer und Koriander gewürzt wird und im Schwäbischen oft auch noch Senfkörner enthält. In anderen deutschen Regioen wird sie auch Jagdwurst genannt. In geräucherter Form, als gerauchte Schinkenwurst, kommt sie bei mir gelegentlich mit in die Fülle der Maultaschen.
Diese Schneiderflecken sind nun keineswegs eine gewöhnliche Einlage für die Suppe. Sonst wäre ja ein halber Liter Fleischbrühe für vier Personen viel zu wenig. Die Floischbriah übernimmt hier eher die Rolle einer Sauce.
Wer sich wundert, daß auf dem Foto so wenig Zwiebeln zu sehen sind, ich habe es nicht so mit Röstzwiebeln. Deswegen nahm ich nur eine ganz kleine Zwiebel.
Schneiderflecken mit Zwiebel-Schinkenwurst-Schmälze
Für die Schneiderflecken:
200 g Mehl (ich nahm Dinkelmehl)
100 g Hartweizendunst
3 oder 4 Eigelb
Salz
eventuell ein paar Tropfen Olivenöl
Für die Zwiebel-Schinkenwurst-Schmälze:
1 ordentliches Stück Butter
300 g frische Schinkenwurst
1 große Zwiebel
1/2 l hausgemachte Fleischbrühe (Floischbriah)
Schnittlauch

Aus Mehl, Eigelb und Salz einen Nudelteig kneten. Der Teig darf weder zu hart noch zu elastisch sein. Ob man 3 oder 4 Eigelb zugibt, muß man letzendlich selbst entscheiden. Lieber ein Eigelb weniger, dafür eventuell ein paar Tropfen Olivenöl.

Den Teig dünn ausrollen. Mit einem Messer in gleichschenklige Dreiecke von circa 4 cm Kantenlänge schneiden. Die Nudeldreiecke in kochendes Salzwasser geben und circa 8 Minuten sanft kochen. Mit dem Schaumlöffel herausnehmen und abtropfen lassen. Die Fleischbrühe erhitzen.

Während die Schneiderflecken garen, die Zwiebel häuten und in feine Würfel schneiden. Die Schinkenwurst ebenfalls häuten und in Würfel schneiden. Butter in einer Pfanne erhitzen. Zwiebel und Schinkenwurst im heißen Fett rösten.

Die gekochten Schneiderflecken in Suppenteller verteilen. Fleischbrühe darübergießen und mit der Zwiebel-Schinkenwurstschmälze garnieren. Mit Schnittlauchröllchen bestreuen.

Blogevent Pasta regional

2 Kommentare:

Aus meinem Kochtopf hat gesagt…

Wunderbar, Margit.
Das ist genau so etwas wie ich es gesucht habe. Für mich klingt die zuerst genannte süße Variante auch spannend. Habe noch nie was davon gehört.

Dass Du in Deinen Kochbüchern nichts finden konntest, wundert mich ehrlich gesagt nicht. Denn ich glaube immer noch daran, dass unsere Großeltern - oder sagen wir die Generationen die vor 1940 geboren wurden gar keine Nudeln als normales Gericht kannten. Höchstens im Schwabenländle - oder eben nur als Sättigungsbeilage.

Aber das ist ja nicht das was ich suche. Vielen Dank für Deine Beteiligung!

Mit leckerem Gruß,
Peter

Margit Kunzke hat gesagt…

Danke Peter...Meine pfälzisch-hessische Großmutter war berühmt für ihren Nudelauflauf. Sonst sehe ich das wie Du...nördlich des Weißwurstäquators wurden Nudeln, wenn überhaupt, früher vorwiegend als Beilagen verwendet. Die Schwaben hatten den Wert der Nudeln als Hauptgericht offenbar schon früher erkannt ;-)