Sonntag, 8. Juli 2012

Sommerliches aus Italien: Vitello tonnato

“Es gibt Fleisch mit Fischsauce?" frug eine spanische Freundin des besten aller Testesser, als sie zu uns zum Mittagessen kam. Der Zweifel stand ihr im Gesicht geschrieben. Doch sie probierte höflich und war begeistert. So begeistert, daß sie mich um das Rezept bat, um es ihrer Mutter mitzubringen.

Vitello Tonnato ist eines unserer liebsten Sommeressen. Eigentlich ist Vitello Tonnato eine italienische Vorspeise, die aus Piemont stammt. Es handelt sich um dünn aufgeschnittenes, mit Weißwein und Gemüse gekochtes Kalbfleisch, das kalt mit einer Thunfischsauce serviert wird.

Als vitel tonne kannte man es im Piemont schon im 18. Jahrhundert. Damals bestand das Gericht jedoch weder aus gekochtem Kalbfleisch noch aus Thunfischsauce. Es war lediglich ein Stück Fleisch, das zusammen mit eingesalzenen Sardellen geschmort und dann in Scheiben geschnitten mit der entstandenen Sauce und Kapern serviert wurde. Selbst der Begriff tonne, der heute mit Thunfisch assoziiert wird, kommt vermutlich aus dem Französischen und bedeutet lediglich mit Sauce
Im Piemont wurde damals Französisch gesprochen. Um 1796 wurde das Piemont an die Grafschaft Nizza abgetreten, kam dann später unter französische Militärverwaltung. Um 1800, während seines Italienfeldzugs,  eroberte Napoleon das Piemont endgültig, das nun bis zum Sturz Napoelons 1814 unter französischer Herrschaft blieb.
Etwa seit Anfang 1900 wird Vitello Tonnato so zubereitet, wie wir es heute kennen und hat sich mittlerweile zu einer klassischen Vorspeise gemausert. Was allerdings in vielen Restaurants als Vitello tonnato angeboten wird, kann einen nur das Fürchten lehren....

Will man Vitello tonnato in Spanien mit Kalbfleisch zubereiten, hat man ein Problem. In Südspanien Kalbfleisch zu bekommen, ist nahezu unmöglich, nicht einmal auf Bestellung beim Metzger. Mein Metzger Antonio empfahl mir seinerzeit, ein Stück Rindfleisch zu verwenden, das die Spanier redondo nennen. Da in Spanien das Rind anders zerteilt wird als in Deutschland, kann ich nicht ganz genau erklären, was ein redondo ist. Es liegt im Prinzip im hinteren Viertel des Rinds, in dem Teil, den man Oberschale oder Kluft nennt. Nach meiner Erfahrung eignet sich das redondo ausgezeichnet für Vitello tonnato.
Baß erstaunte war ich, daß sowohl Cornelia Poletto als auch Vincent Klink das Fleisch für Vitello Tonnato erst anbrieten und dann im Backofen garten. Das war mir neu. Einmal habe ich es ebenfalls so gemacht. Doch überzeugt hat mich diese Version nicht. Irgendwie störte mich das Röstaroma des Fleisches. Deshalb ziehe ich die Version des Pochierens in würzigem Weißwein-Gemüsesud vor.

Weil ein Vitello tonnato ohne Kapern undenkbar ist, ist das auch gleichzeitig mein Beitrag zum Event Mediterrane Kräuter und Gewürze im Blog Tobias kocht der im August gern Gerichte mit Kapern hätte....


Vitello tonnato
1 kg Kalbsnuß oder in Spanien Redondo vom Rind
1 l trockener Weißwein
Suppengemüse (Karotten, Petersilienwurzel, Lauch, Stangensellerie, etc.)
1 kleine Zwiebel mit 4 Gewürznelken besteckt
Pimentkörner, schwarze Pfefferkörner, Szechuanpfefferkörner,
1 Lorbeerblatt
1 kleiner Zweig Zitronenthymian
Für die Thunfischsauce:
2 Dosen vom besten Thunfisch in Olivenöl à 80 g
2 Eigelb
1-2 Sardellenfilets in Öl
mildes Olivenöl nativ extra
Zitronensalz
weißer Pfeffer
kleine Kapern
Zitrone

Das Suppengemüse putzen und klein schneiden. Weißwein mit dem Gemüse, Lorbeerblatt, Zitronenthymian und den Gewürzen zum Kochen bringen. Fleisch in die kochende Brühe legen, wieder aufkochen und dann zugedeckt bei geringer Hitze circa 50-60 Minuten ziehen lassen.  Vom Herd nehmen und abkühlen lassen. Dann das Fleisch in der durchgesiebten Brühe über Nacht in den Kühlschrank stellen.

Für die Sauce den Thunfisch abtropfen lassen. Das zimmerwarme Eigelb zusammen mit dem Thunfisch und den Sardellenfilets im Mixer kurz durchmixen. Dann das Öl und etwas von dem Sud zugeben und auf höchster Stufe kräftig durchmixen. Von dem durchgesiebten Sud zufügen, falls die Sauce zu zähflüssig ist. Mit Salz, Pfeffer und etwas Zitronensaft abschmecken.
 
Zum Servieren das gut gekühlte Fleisch aus dem Sud nehmen und in dünne Scheiben schneiden. Ein bißchen Sauce darübergießen. Mit Kapern und Zitronenscheiben garnieren. Den Rest der Sauce in einer Saucière dazu reichen.
Gut gekühlt mit Baguette und einem Salat servieren.


Kochevent- Mediterrane Kräuter und Gewürze - KAPERN - TOBIAS KOCHT! vom 1.08.2012 bis 1.09.2012

5 Kommentare:

carlo bernasconi hat gesagt…

röstaromen stören nicht, wenn du ein niergegartes stück vom kalb (nierstück bzw steak) als resteverwertung nimmst (mach ich im restaurant so) - anstelle von ei gibts bei mir ricotta oder creme fraîche, macht die sauce eine spur leichter, en guete!!! Carlo

Margit Kunzke hat gesagt…

@Carlo: Danke für den Tip. Ich werde es beim nächstenmal ausprobieren :-))

Aus meinem Kochtopf hat gesagt…

Das ist ja eine sehr interessante Geschichte - über die Geschichte des Tonnatos.
Wieder etwas gelernt. Danke, auch dafür.

Mit leckerem Gruß, Peter

Rico & Dat Garten und Food Stories hat gesagt…

Klasse, sieht nicht nur lecker aus, es wird es auch sein. Super Margit!

Margit Kunzke hat gesagt…

@Peter: Mich freut es auch immer wieder, was für interessante Geschichten man hinter einem Gericht entdeckt...
@Gastromacher: Danke :-)