Ein großer Teil meiner Kindheit spielte sich in einer Großfamilie ab: 
Großmutter, deren zwei Töchter (eine davon war meine Mutter), der 
Ehemann der einen Tochter, meine Schwester und ich. Dazu kamen zeitweise
 noch Tante und Onkel, d.h. Schwester und Schwager meiner Großmutter. 
Alle wohnten in dem großen Haus, das in einem großen Garten stand. 
Zumindest kam mir das Haus damals groß vor, denn ich war ja noch klein. 
Großfamilien erfordern große Kochtöpfe. Wenn dann einmal Fleisch gekocht
 wurde - was damals ein- oder zweimal pro Woche üblich war - war es ein 
ordentliches Stück Fleisch, das auch durchaus zwei bis drei Kilogramm 
wiegen konnte. Davon wurden dann mehrere Mahlzeiten zubereitet. So ein 
großes Stück Suppenfleisch reichte in der Regel für zwei bis drei Essen.
 Da mit dem Rindfleisch auch immer eine ordentliche Portion 
Rinderknochen mitgekocht wurde, gab es die Suppe als Vorspeise oft mit wunderbaren 
Markklößchen. BSE war ja noch unbekannt. Meisterin war meine Großmutter auch im herstellen lockerer Griessnocken.Warm wurde das Rindfleisch oft 
mit Wirsinggemüse und Salzkartoffeln als Beilage serviert. Im Sommer gab
 es das Fleisch auch kalt. Das wurde dann zusammen mit süßsauren Beilagen
 auf den Tisch gebracht. Die waren von Großmutter im Laufe des Jahres 
selbst eingemacht worden
Ungwöhnlich fanden einige meiner gastronomischen FB-Freunde diese 
Kombination von Suppenfleisch mit süßsauren Zwetschgen und 
Kartoffelsalat. Zumindest früher war es gang und gebe, daß man kaltes 
oder auch warmes Suppenfleisch mit süßsauren Beilagen wie Rotweinessigpflaumen,
 süßsaurem Kürbis, Senffrüchten oder auch einfachen Essiggurken aß. Dazu
 gab es je nach Lust und Laune Kartoffelsalat oder Bratkartoffeln. In 
meinem Kiehnle Kochbuch von 1932 werden z.B. als Beilage zu 
Ochsenfleisch Essigpflaumen oder Senffrüchte empfohlen. Chutneys kannte 
man damals wohl noch nicht, wohl aber gemischte Essigfrüchte (Mixed 
Pikles) und Katschup. Essigpflaumen oder Senfpflaumen schlägt 
auch Henriette Davidis in ihrem praktischen Kochbuch von 1907 zu kaltem 
Rindfleisch vor. Diese süßsauren Beilagen passen auch ausgezeichnet zu Wildgerichten.
Gekochtes Rindfleisch mit Rotweinpflaumen und Kartoffelsalat
1 kg Suppenfleisch
2-3 Markknochen
2 Karotten
1 Petersilienwurzel
1 Stück Sellerie
1 kleine Stange Lauch 
1 Zwiebel
1-2 Knoblauchzehen
Gewürze (Piment, schwarze Pfefferkörner, Szechuanpfeffer, Nelken, etc.)
1 Stückchen Macis
10 ungeschälte Mandeln
Salz 
Wasser in einem Topf zum Kochen bringen. Das Fleisch abwaschen und trockentupfen. Wenn das Wasser siedet, das Fleisch in den Topf geben. Das Ganze noch einmal kurz aufkochen. Dann den Topf samt Fleisch vom Herd nehmen und auskühlen lassen, bis das Wasser nur noch lauwarm ist. Nun die Knochen zugeben und das Fleisch noch einmal zum Kochen bringen. Auf kleiner Flamme simmern lassen bis es gar ist. Das kann je nach Fleischstück bis zu drei Stunden dauern.
Auch wenn es etwas umständlich klingt. Nach dieser Methode hat meine 
Großmutter das Fleisch immer gekocht. Diese Methode Fleisch zu kochen 
hat ihren Sinn, sagte meine Großmutter. Gibt man das Fleisch in das 
siedende Wasser und kocht es dann stundenlang, würde das Eiweiß im 
Fleisch gerinnen, der Saft würde komplett eingeschlossen und nach dem 
Kochen wäre jedes Stück Fleisch so zäh wie Leder.
Inzwischen Karotten und Petersilienwurzeln schaben, längs vierteln und in fingerlange Stücke schneiden. Sellerie schälen und in kleine Stücke schneiden. Den Lauch putzen, längs vierteln und in fingerlange Stücke schneiden. Zwiebel und Knoblauch häuten. Die Zwiebel mit den Nelken spicken. Die restlichen Gewürze im Mörser grob zerstoßen.  Gewürze, Mandeln, Knoblauch, Zwiebel und Suppengemüse nach circa einer Stunde Kochzeit zum Fleisch geben. Die Suppe leicht salzen und fertig kochen.
Das Fleisch in der Brühe auskühlen lassen. In Scheiben schneiden und mit Kartoffelsalat Rotweinessigpflaumen oder süßsauer eingemachtem Kürbis servieren.
 
 
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