Mittwoch, 1. Februar 2012

Mittelmeerküche: Ein Spitzkohl von den Fildern geht auf Reisen

 Obwohl es erst 4.30 Uhr in der Frühe war, die Zöllner am Stuttgarter Flughafen waren gut drauf. In meinem unzulässig schweren Handgepäck waren  wie üblich jede Menge Bücher, eine Guglhupfform aus Kupfer vom Flohmarkt, ein salzglasierter Tontopf von der Oma, ein paar kleine Zierkürbisse und........ein Spitzkohl von den Fildern. Einen der wenigen, die man um diese Jahreszeit noch ergattern konnte. Ich hatte ihn auf dem Waiblinger Wochenmarkt gefunden.
Zugegeben nur ein ganz kleiner Spitzkohl. . Er wog knapp ein Kilo. "Was'n das?" wollte der Zollbeamte wissen, als ich die Tasche mit dem Spitzkohl durch den Scanner lassen mußte. Meine Antwort, das sei ein Spitzkohl von den Fildern, quittierte sein Kollege trocken: "Da ist aber eine Made drin. Die muß verzollt werden." Als ich ihm erklärte, daß das eine EU-Made und sie somit zollfrei sei, mußte er laut lachen. Wie oft sieht man schon einen laut lachenden Beamten? Der Dritte im ZöllnerBunde, lobte in breitestem Schwäbisch: "Ha so isch's rächt. Zoigedse dene Schbanier nur, was en rächter Schbitzkohl vo de Fildere isch!" Für diejenigen, die des schwäbischen Dialekts nicht mächtig sind die Übersetzung: So ist es recht. Zeigen Sie den Spaniern nur einmal, was ein richtiger Spitzkohl von den Fildern ist.
Der Spitzkohl kam unbeschadet in Spanien an. Hätte er Flugangst gehabt, wäre er ihm wohl schlecht geworden. Denn vom südlichen Rhonetal an verlief der Flug sehr wackelig und unruhig durch eine dicke Gewitterfront.  Das schöne Winterwetter hatte ich in Stuttgart gelassen. Spanien empfing mich mit grauem Himmel, Regen und Winterkälte.
Nun harrt der Spitzkohl  frisch und munter in ein feuchtes Tuch gehüllt im Gemüsefach meines Kühlschranks der weiteren Verwendung.  Nein, mich plagt kein schlechtes Gewissen wegen des "eingeflogenen" Gemüses.

Spitzkohl ist einfach Spitze. Der Spitzkohl ist eine feine Abart des Weißkohls. Er ist zart und hat ein sehr dezentes Kohlaroma. Auf den Fildern bei Stuttggart wird Spitzkohl, dort auch Filderkraut genannt, vornehmlich zu köstlichem Sauerkraut verarbeitet. Dazu war allerdings der mitgereiste salzglasierte Tontopf zu klein. Und wegen des kleinen Spitzkohls lohnte sich die aufwendige Herstellung von Sauerkraut nicht. Außerdem hatte der echte, alte Sauerkrauthobel beim besten Willen keinen Platz mehr im Handgepäck gefunden......
Doch zurück zum Spitzkohl: Spitzkohl macht nicht dick. 100 Gramm Spitzkohl enthalten nur knapp 20 Kilokalorien. Eine Besonderheit aller Kopfkohlarten ist ihr Gehalt an Ascorbigen, einer Vorstufe des Vitamin C. Erst durch das Kochen wird aus Ascorbigen Vitamin C gebildet. Mit einer Portion gekochtem Spitzkohl ist der Tagesbedarf an Vitamin C bereits gedeckt. Außerdem liefert Spitzkohl noch Vitamin B1, B2, Kalium und Betacarotin.

Dabei stand schon beim Kauf des zarten Kohls fest, wie ich ihn verwenden wollte:  Spanisch verfremdet als Pelota (valencianischer Krautwickel) . Das Fremde daran sind der Safran in der Fleischbrühe, die Pinienkerne und der Zimt in den Spitzkohlwickeln. Dann durfte sich das weitgereiste Gemüse in einem Rezept präsentieren, das ich nach einer Idee von Alexander Herrmann nachkochte -Spitzkohltörtchen mit Kartoffelcroutons und karamellisierten Pfeffer-Cashewnüssen und Sauerrahm …und da von dem Kohl noch etwas übrig war, gab es noch einen vegetarischen Krautwickel.


Valencianische Spitzkohlrouladen
 1 ganze Hühnerbrust
200 g Schweineschnitzel
2 grobe Bratwürste
2-3 EL Semmelbrösel
1 Knoblauchzehe
2 Zweige glatte Petersilie
etwas abgeriebene Zitronenschale
2 Eier
20 g Pinienkerne
Zitronensalz und frisch gemahlener weißer Pfeffer
1 gute Prise Zimt
1 l Fleischbrühe mit Safran gewürzt
8 Spitzkohlblätter

Das Fleisch durch den Fleischwolf drehen. Mit dem Inhalt der Bratwürste mischen. Knoblauch häuten und zusammen mit der Petersilie fein hacken. Pinienkerne in einer Pfanne ohne Fett ganz kurz anrösten.

Fleisch, Knoblauch, Petersilie, abgeriebene Zitronenschale, Eier, Pinienkerne und Semmelbrösel zu einem glatten Teig verkneten. Mit Zimt, Salz und Pfeffer abschmecken.Wenn die Masse zu klebrig ist, mehr Semmelbrösel verwenden.

Äußere Spitzkohlblätter ablösen und kurz in kochendem Wasser blanchieren. Auf jedes Kohlblatt 1-2 EL Fleischmasse legen. Das Blatt zusammenrollen und mit Küchengarn zubinden.

Krautwickel in die heiße Fleischbrühe legen, aufkochen und bei mittlerer Hitze 15-20 Minuten garziehen lassen. In der Brühe servieren.
Die Valencianer träufeln ein paar Tropfen Zitronensaft über die Pelotas.




3 Kommentare:

Geniesser hat gesagt…

Was für eine schöne Geschichte und was für ein leckeres Gericht!

Thea hat gesagt…

Super. Aber leider gibt es hier in Berlin keinen Spitzkohl "von de Fildere"... Dafür decke ich mich über süddeutsche Freunde immer mit dem köstlichen und unvergleichlichen "Spitzbüble"-Sauerkraut ein. Herzliche Grüße aus Deutsch-Sibirien nach Spanien...

Margit Kunzke hat gesagt…

@Geniesser: Danke für das Lob
@Thea: Die Krautwickel kann man auch mit Weißkraut oder Wirsing machen. Gruß aus dem auch kalten Spanien