Montag, 4. April 2011

Gemüse mit Tradition: Dicke Bohnen vom Viehfutter zum Gourmetgemüse

Dicke Bohnen, auch Ackerbohne (Vicia Faba), Saubohne, Schweinsbohne, Favabohne, Große Bohne, Pferdebohne, Viehbohne, Faberbohne oder Puffbohne genannt, fand ich als Kind ausgesprochen eklig. Sie wurden meist als unappetitlich aussehende graugrüne Bohnen in einer Mehlpappsauce serviert und schmeckten entsprechend scheußlich. Heute liebe ich Dicke Bohnen in allen Variationen.

In Deutschland gerieten die Dicken Bohnen wieder in Vergessenheit und tauchen erst seit einiger Zeit - oft unter dem Namen Puffbohnen - wieder auf. Über das Modewort Retro-Gemüse will ich jetzt mal nichts sagen.

Dabei ist die Dicke Bohne ein Gemüse mit Tradition und eine uralte Kulturpflanze, die schon vor tausenden von Jahren bekannt war. Allerdings waren die Dicken Bohnen früher gar nicht so dick. Seit dem 3. vorchristlichen Jahrtausend finden sich die Dicke Bohne in vielen Ausgrabungsstätten im Mittelmeerraum. Die alten Römer liebten Dicke Bohnen sehr und glaubten, daß sie böse Hausgeister vertreibe.
Vom Mittelmeerraum  aus trat die Dicke Bohne ihren Siegeszug bis nach Mitteleuropa an.

In den ersten Jahrhunderten n.Chr. wurden an der Nordseeküste viele Dicke Bohnen angebaut, weil die Dicke Bohne als einzige Hülsenfrucht auf salzigen Böden in Küstennähe gedeiht. Im Mittelalter waren die Dicken Bohnen neben anderen Hülsenfrüchten wie Linse und Erbse wichtige Lieferanten von Proteinen. Sie waren wegen ihres hohen Stärke- und Eiweißgehaltes ein beliebtes und wichtiges Nahrungsmittel für die arme Bevölkerung und waren auch wegen ihrer hohen Erträge wichtig.
Durch die Einführung der Gartenbohne aus Südamerika ging in Mitteleuropa im 17. Jahrhund die Bedeutung der Dicken Bohnen zurück, bis sie schließlich fast nur noch als Viehfutter genutzt wurden.

Das war in den Mittelmeerländern jedoch nicht so. Hier wurde und wird die Dicke Bohne stets geschätzt. In Spanien serviert man sie z.B.unter dem Namen habas granadinas mit Speck, Knoblauch, Thymian, Olivenöl in Weißwein geschmort als Tapa. Aber auch im Rheinland ißt man gern Dicke Bohnen mit Speck. In Katalonien liebt man Salat aus Dicken Bohnen gewürzt mit frischer Minze. Dieses Kraut harmoniert übrigens ausgezeichnet mit den Bohnen.
In Murcia ißt man in der Saison in jeder Kneipe junge Dicke Bohnenkerne roh mit etwas Salz. Deswegen kommen mir bei solchen Aussagen „Bei manchen Menschen, besonders im Mittelmeerraum, tritt eine erbliche Veranlagung auf, der Favismus, eine stoffwechselbedingte Unverträglichkeit gegenüber dem Pollen der Ackerbohne oder der Bohne selbst. Diese Krankheit kann in schweren Fällen zum Tod führen.“ erhebliche Zweifel, denn  hier ißt jeder Dicke Bohnen und ich kenne keinen einzigen Krankheitsfall.
Die Franzosen lieben ihre fèves frisch als Salat und bereiten aus jungen Dicken Bohnen eine  köstliche Suppe mit Croutons. Mit Kümmel, Knoblauch und Zitronensaft würzen die Italienier ihren insalata di favini.

Für das ägyptische Nationalgericht Ful werden getrocknete Dicke Bohnenkerne über Nacht eingeweicht und dann in Wasser weich gekocht. Die Bohnen werden nun grob püriert und mit Knoblauch, Salz, Cumin und anderen Gewürzen abgeschmeckt. Dann wird das Bohnenpüree großzügig mit Olivenöl übergossen und mit einer Sauce aus feingehackter Petersilie und Zitronensaft mit Fladenbrot und Schafskäse, gehackten Salzgurken, gekochten Eier oder Tomatenwürfelchen gereicht.

Eine ganz spezielle Beziehung haben die Erfurter zur Dicken Bohne. Rund um Erfurt sind die Böden sehr fruchtbar und das Klima ist mild. Deshalb wachsen die Dicken Bohnen rund um Erfurt auch sehr gut. Wegen ihrer Größe, ein ausgepuffter, großer Bohnenkern, erhielten sie den Namen Puffbohnen. Puffbohnen gelten als Stadtmaskottchen von Erfurt und jeder eingeborene Erfurter wird „Puffbohne“ genannt.
Dicke Bohnen werden heute weltweit angebaut. Ihre Hülsen werden bis zu 18 cm lang und enthalten drei bis sieben rundlich ovale Samen. Die flachen Kerne sind hellgrün bis graugrün. Wenn dicke Bohnen gekocht werden, behalten sie entweder diese Farbe oder verfärben sich bräunlich. Erstere sind mild mit leicht nussigem Geschmack. Die Sorte, die sich bräunlich färbt, habt einen kräftigen Geschmack,

Diese Samen haben es in sich. Sie enthalten viele Vitamine und Mineralien, unter anderem die B-Vitamine, Folsäure und Vitamin C, Magnesium, Eisen und Kalium. Aber vor allem findet man in der Dicken Bohne weniger als ein Prozent Fett, aber einiges an Proteïnen (7 g) und Kohlenhydraten (12,5 g), d.h. sie sättigt auch noch sehr gut und hat trotzdem nur 89 Kalorien.
Dabei ist die Vicia Faba, wie die Botaniker die Dicke Bohne nennen, eigentlich gar  keine richtige Bohne . Innerhalb der Hülsenfrüchtler gehört sie nämlich zur Gattung der Wicken.  Die Gartenbohne wiederum gehört der eigenen Gattung Phaesolus an. Irgendwie müssen die beiden aber doch weitläufig verwandt sein, denn beide gehören zur Unterfamlie der Schmetterlingsblütler.

Saison haben die Dicken Bohnen von Frühjahr bis Sommer. Beim Einkauf sollte man darauf achten, daß die Bohnenhülsen knackig, fleckenlos und glänzend grün sind . Im Haus kann man sie an einem kühlen, trockenen Ort, lichtgeschützt aufbewahren, im Kühlschrank bis zu einer Woche. Je frischer die Dicken Bohnen allerdings sind, desto besser schmecken sie. 

Ich habe diesmal ein Rezept ausprobiert, für das ganz zarte, junge Dicke Bohnen frisch und ungekocht verwendet werden. Wer es zarter als zart will,  kann auch die äußere Haut der Bohnenkerne entfernen. Ich tue es nicht. Damit dieses Tatar aus Dicken Bohnen und Avocados schmeckt, müssen auch die übrigen Zutaten erstklassig sein. Feinstes Olivenöl nativ extra, reifeAvocados und ganz frische Dicke Bohnen.
Tatar aus Dicken Bohnen, Avocado und Tomate
3 reife Avocados
1 Frühlingszwiebel
50 g getrocknete Tomaten in Olivenöl
300 g frische Dicke-Bohnen-Kerne
150 g Rucola
1 Zitrone
3 EL allerbestes mildes Olivenöl nativ extra
Salz und Pfeffer aus der Mühle

Den grünen Schlot der Frühlingszwiebel abschneiden. Die weiße Zwiebel fein hacken.
Tomaten aus dem Öl nehmen und abtropfen lassen. Ebenfalls sehr fein hacken.
Rucola waschen und 5 Minuten in kaltem Wasser liegen lassen, damit die Blätter fest werden. Dann die Hälfte des Rucola fein hacken. Den Rest aufheben.
Zitrone aus pressen und durch ein Sieb geben.

Avocados halbieren, den Kern entfernen und das Fruchtfleisch mit dem Löffel aus der Schale holen. Fruchtfleisch in sehr kleine Würfel schneiden.

Avocadowürfel mit Tomaten und Zwiebel mischen. Dicke Bohnen und den gehackten Rucola zugeben. Mit Zitronensaft, Olivenöl, Salz und Pfeffer abschmecken und gut mischen.

Eine Portion in eine zylindrische Form füllen, die in der Mitte des Tellers steht. Dabei etwas zusammendrücken, damit das Tatar Stabilität gewinnt. Form entfernen und für die nächste Portion verwenden.

Tatar mit den restlichen Rucolablättern belegen und um das Tatar etwas Olivenöl träufeln.

3 Kommentare:

Thomas Schäfer hat gesagt…

Durch einen 15 Jahre dauernden Lebensabschnitt in Westfalen, habe ich " Dicke Bohnen " essen und lieben gelernt, freue mich aber über jede Variation dieses köstlichen Gemüses, insbesondere wenn es auch an einem Frühlings/ Sommerabend auf der Terrasse genossen wrd ( so ganz ohne Mehlschwitze, Kartoffeln u. Speck ) Vielen Dank für die tolle Anregung.

bushcook hat gesagt…

Letztes Jahr haben wir zum ersten Mal dicke Bohnen im Garten gehabt. Heuer gibt es hoffentlich wieder welche.

Dein Rezept gefällt mir sehr gut. Habe ich es richtig verstanden, daß Du die Bohnen roh und nicht zerkleinert verwendest?

Ich werde das auch mal versuchen, wenn sich die Bohnen zeigen....

Margit Kunzke hat gesagt…

@Thomas
Nix zu dnaken :-)

@bushcook
Ja richtig, die ganz jungen, kleinen Dicken Bohnen werden roh d.h. ungekocht verwendet. Wenn Du ganz sicher gehen willst, daß sie auch zart sind, dann mach die äußere Hülle/Haut weg, die den Kern umgibt..