Mein erster und - leider - einziger Urlaub in Wales liegt schon viele Jahre zurück. Vier wunderschöne Wochen verbrachte ich in Dolgellau in Nordwest Wales bei einer walisischen Bauernfamilile, die vor allem Schafe züchtete. Dolgellau liegt nahe dem südlichen Ende des Snowdonia National Park und ist Ausgangspunkt für viele Kletterer. Die Landschaft ist traumhaft schön. Glück hatten wir ebenfalls mit dem Wetter, denn es herrschte damals ein ungewöhnlich heißer Sommer in ganz Europa, also auch in Wales. Meine Gastgeber erzählten mir, seit Menschengedenken habe es in Wales keinen so trockenen Sommer mehr gegeben, denn es regnete nur einmal pro Tag für eine knappe Stunde.
Natürlich wusste ich, daß man in Wales auch Walisisch - Cymraeg - spricht. Nur gehört hatte ich diese keltische Sprache noch nie. So glaubte ich anfangs, dieser merkwürdige Zisch-Knacklaut, der quasi zwischen den Backenzähnen gesprochen wird, käme daher, daß viele Waliser schlecht sitzende Prothesen haben. Interessant war auch, daß die Waliser, wenn ich mit ihnen Englisch sprach, als erstes die Frage stellten "Are you English?". Als ich das verneinen konnte, wurden sie sofort wesentlich freundlicher. Offenbar mögen die Waliser ihre englischen Nachbarn nicht so besonders. Was sie gern mögen, ist Singen. Walisische Männerchöre haben heute noch große Tradition.
Was den Engländern ihre Rose, den Iren ihr Kleeblatt, ist den Walisern der Lauch. Lauch ziert das Nationalwappen. Das besondere Verhältnis der Waliser zum Lauch soll der Sage nach bis ins 7. Jahrhundert zurückreichen. Damals soll König Cadwaladr von Gwynedd seine Mannen angewiesen haben, Lauch in einer Schlacht als Erkennungsmerkmal zu tragen. Für Henry V., in Shakespeares gleichnamigem Drama, ist Lauch das Symbol von Wales. Am 1. März, dem St. David's Day, verteilten die Tudors (1485 bis 1603), die walisischen Ursprungs sind, Lauch an ihre Wachen, die diesen dann zu Ehren des walisischen Schutzheiligen trugen. Gesetze aus dem 10. Jahrhundert erlaubten in Wales nur die Kultivierung von zwei Gemüsen, Lauch und Kohl. Kein Wunder, daß man auch heute noch Lauch und Kohl in vielen walisischen Gerichten findet.
Walisisches Lammfleisch
ist zu Recht weltberühmt, da die Tiere auf den üppigen Weiden in Bergen und Tälern
gezüchtet werden. Der Bauer, bei dem wir in Bed & Brekfast waren,
hatte seinerzeit mehr als 3000 Schafe, die auf riesigen, grünen Wiesen
weideten. Das walisische Lammfleisch mit seiner unverwechselbaren Qualität bekam von der Europäischen Kommission im Jahr 2003 den begehrten Status geschützte geographische Angabe (PGI) zuerkannt. Prinz Charles, der ewige Thronfolger, ist eifriger Förderer des 2009 gegründeten Welsh Lamb Club. Er gewann seither wichtige Köche und Restaurants als
Mitglieder. Mehr als 60 Restaurants haben sich mittlerweile dem Club angeschlossen.
Das bei diesen Voraussetzungen die Kombination Lammfleisch und Lauch in der walisischen Küche häufig anzutreffen ist, ist da kein Wunder. Für Peter G. Spandls Europakochen, das er anlässlich der Fußballeuropameisterschaft in seinem Blog Aus meinem Kochtopf veranstaltet, habe ich diesen walisischen Lamb Cawl mit Lauch ausgesucht. Cawl ist das kymrische Wort für Suppe oder Brühe. Davon gibt es
natürlich unzählige. Steht das Wort jedoch alleine, dann kann es sich
nur um eine Lammfleischbrühe mit Kartoffeln und viel Gemüse handeln.
Welche Überraschung: Die Waliser stehen mit ihrem 1:0 Sieg über Nordirland bei der ersten
EM-Teilnahme gleich im Viertelfinale, auch wenn das Tor ein Eigentor von
McAuley war. Den Walisern kann's relativ egal sein, wie der Sieg
zustande gekommen ist. Tor ist Tor. Ob sich die Waliser jetzt mit einem kräftigen
Lamb Cawl stärken werden, ehe sie in die weiteren Spiele ziehen?
Pob lwc, viel Glück wünsche ich der walisischen Mannschaft. Vielleicht reicht es bei dem nächsten Spiel auch zu einem eigenen Tor!
Lamb Cawl, walisischer Lammeintopf mit Lauch
750 g Lammfleisch, am besten Lammhaxn (pro Person 1 Lammhaxe)
1 weiße Zwiebel
4-5 mittelgroße Kartoffeln
2-3 Karotten
1-2 Mairübchen (Navets)
2 mittelgroße Stangen Lauch
1/4 Wirsing oder auch nicht (ich fand keinen Wirsing auf dem Markt)
1 Bund Kräuter: Lorbeer, Thymian, Rosmarin und glatte Petersilie
Sonnenblumenöl
Meersalz
schwarzer Pfeffer aus der Mühle
Die Zwiebel häuten, halbieren und in Halbringe schneiden. Öl in einem großen, flachen Topf - früher nannte man das einen Bräter - erhitzen. Lammhaxn im heißen Öl rundum goldbraun anbraten. Zwiebel dazu geben und 2-3 Minuten mitbraten. Salzen und pfeffern. Wasser angießen, die Kräuter zugeben, aufkochen lassen und zugedeckt bei mittlerer Hitze circa 40-45 Minuten schmoren.
Inzwischen Karotten und Mairübchen schaben und in Scheiben schneiden. Kartoffeln schälen und in größere Würfel schneiden. Lauch gründlich waschen und in Ringe scheniden. Ausnahmsweise auch die grünen Teile des Lauchs verwenden. Das Gemüse außer dem Wirsing beigeben, nochmals aufkochen, Hitze reduzieren und weitere 40 Minuten lang köcheln lassen.
Zum Schluß den Wirsing in feine Streifen schneiden und in das Lamb Cawl geben. Noch circa 5 Minuten lang kochen. Vor dem Servieren die Kräuter entfernen und eventuell noch einmal mit etwas Salz und Pfeffer abschmecken.
Als Beilagen essen die Waliser ihr klassisches Braunbrot oder Haferbrot dazu.
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