Montag, 29. August 2016

Weinrallye #101: Herzensweine - Vom Wochenbett zur Weinprobe

Die Geschichte liegt schon lange zurück, fast auf den Tag genau 35 Jahre, denn so alt ist mittlerweile mein jüngster Sohn und bester aller Testesser. Er spielte, neben dem Wein, von dem ich noch erzählen werde,  sozusagen die Hauptrolle, obwohl er damals noch gar keinen Wein mochte.
Der beste aller Testesser versprach, laut Ultraschall, ein ziemlich großes und schweres Baby zu werden. Da schon sein älterer Bruder ein schwerer Brocken war und während der Geburt kurzfristig das Leben von Kind und Mutter in Gefahr war, sollte Nummer 2 vorsichtshalber mittels programmiertem Kaiserschnitt am 12. August auf die Welt geholt werden. Alles ging gut. Es war lustig und interessant zu erleben, was für ein Hochbetrieb während eines Kaiserschnitts im Operationssaal der Stuttgarter Landesfrauenklinik herrscht. Professor, Narkosearzt, Kinderarzt, die dazugehörigen Krankenschwester und jede Menge Studenten, alles allem rund 20 Menschen, bereiteten dem Kleinen einen großen Bahnhof.
Was das nun mit Wein zu tun hat? Jedes Jahr findet in der zweiten Augusthälfte in Grunbach im Remstal eine Weinberbegehung mit Weinproben statt. Die Grunbacher Wengerter schenken ihren Wein zur Verkostung aus, darunter meinen damaligen Lieblingswein, einen Grunbacher Wartbühl Riesling Weinbeisser, während die Grunbacher Weinbäuerinnen für unerschöpflichen Nachschub an selbst gebackenem Zwiebel- und Salzkuchen sorgen. Da wollte ich unbedingt dabei sein. Rund 5 km lang ist die Wanderstrecke, die Grunbacher Weinberge hinauf und hinunter.

Damals musste man jedoch nach einem Kaiserschnitt noch rund zwölf Tage im Krankenhaus verweilen. Das passte mir gar nicht ins (Weinproben)Programm. So entließ ich mich samt kleinem Sohn bereits drei Tage vor dem geplanten Entlassungstermin. Als ich dem Professor, der mich operiert hatte erklärte, daß ich früher heim wollte, um an der Grunbacher Weinprobe teilzunehmen, fiel ihm vor Erstaunen fast das Stethoskop vom Hals. Doch er ließ uns gehen, weil Mutter und Kind in bestem Zustand waren.
So machte ich mich Ehemann, dem älteren Bruder Max und dem Kinderwagen mit Moritz am Samstag auf den Weg nach Grunbach. Sozusagen vom Wochenbett zur Weinprobe. Das Probieren des Weins überließ ich allerdings dem frisch gebackenen zweifachen Vater. Der kleine Moritz  sollte in seiner ersten Lebenswoche ja noch keinen "Rausch" bekommen, denn er wurde noch gestillt. Nun war vor 35 Jahren Stillen in der Öffentlichkeit bei weitem nicht so selbstverständlich wie heute. Zu diesem Zweck verschwand ich mit dem Säugling gelegentlich zwischen den Weinreben oder hinter dem Wengerterhäusle, während Max sich mit Salzkuchen und Apfelsaftschorle sättigte und der Vater den Wein verkostete.
Der Grunbacher Wartbühl Riesling "Weinbeisser" Kabinett trocken, ist ein feiner, gehaltvoller Wein mit kräftiger Säure,  Zitrus, grüner Apfel, angenehm, knackig, mit Biss, kernig und harmonisch. Diese Aussage stammt nicht von mir, sondern von den Fachleuten im Beurteilen von Weinen. Für Robert Parker, den umstrittenen amerikanischen Weinpapst, wäre der Grunbacher Wartbühl möglicherweise keinen Probeschluck wert. Er steht ja mehr auf Bordeaux Weine, die wiederum mir nicht schmecken. Ich halte es da mit Weinkritiker Eckhard Supp, der sagte: "Der Wein muss Ihnen schmecken, nicht Herrn Parker"! Mir schmeckt der Grunbacher Wartbühl noch heute. Immer wenn ich auf Besuch im Remstal bin, dann trinke ich ein, zwei oder drei Viertele dieses urschwäbischen Weißweines. Und denke mit einem Lächeln an den August 1981 zurück....




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