Montag, 2. Februar 2015

Klassiker: Eingemachtes Kalbfleisch auf schwäbische Art

In den 1970er Jahren war Wolfram Siebeck der Guru aller, die anders als ihre Mütter  kochen wollten. Der Spiegel nannte ihn einmal den Vorkoster der Nation. Die Stuttgarter Zeitung meinte gar:  "womöglich ist Siebeck einer der ganz wenigen deutschen Journalisten der Nachkriegszeit, die etwas bewirkt haben." Selbstverständlich gehörte auch ich zur Zeit meiner Kochanfänge zu den Jüngerinnen Siebecks. Anfangs fühlte ich mich fast schuldig, wenn das Huhn, das sonntags auf den Tisch kam, nicht aus der Bresse stammte. Doch für Bressehühner war der studentische Geldbeutel zu schmal. Recht schnell ging mir Siebecks Anbetungshaltung gegenüber Frankreich und sein Absolutismus in Sachen Zutaten auf den Geist und das obwohl auch ich sehr frankophil bin. Seine scharfrichterlichen Neigungen alles niederzumachen was ihm nicht passte, passte mir nicht. Vielleicht bekam Siebeck in seinem Häuschen in Südfrankreich gar nicht mit, daß sich seit den 1970er Jahren die Küche in Deutschland deutlich verändert hatte, weil er starrköpfig die französische Küche für die einzig wahre hielt.
Mittlerweile hatte Siebeck sein Häuschen in Südfrankreich gegen seinen deutschen Wohnsitz, die Burg Mahlberg in Südbaden bei Freiburg, getauscht. Denn, so Siebeck: "Frankreich ist nicht mehr das, was es mal war. Die Provence ist eine reine Urlaubslandschaft geworden. Und die Einheimischen haben sich dem schlechten Geschmack der Urlauber angepasst."  Da staune ich aber. Es kursiert sogar das Gerücht, Siebeck habe seine Abneigung gegen die deutsche Küche überwunden. Das halte ich jedoch tatsächlich nur für ein Gerücht. Liest man seine Veröffentlichungen der vergangenen Jahre, so hat man den Eindruck, daß er wieder zur traditionell angehauchten französischen Küche zurückgekehrt ist. Er erkennt offenbar den Wandel in der deutschen Küche nicht, oder will ihn nicht sehen und kennt sich obendrein in der deutschen Küche nur sehr schlecht aus. So verwundert es auch nicht, daß Siebeck für sein Rezept Eingemachtes Kalbfleisch in der Rubrik “Wochenmarkt” in der Zeitung Die Zeit heftige Kritik in Form von 28 Leserbriefen erntete. Zu Recht, denn das was Herr Siebeck da als schwäbisches eingemachtes Kalbfleisch vorstellte, brachte einige Leser und auch mich zum Schaudern. So nicht, Herr Siebeck!
Eingemachtes Kalbfleisch mit Zwiebelsauce?...wie unschwäbisch ist das denn? Und Reis zum eingemachten Kalbfleisch geht schon mal gar nicht. Selbstverständlich müssen es Spätzle oder allenfalls breite Nudeln sein. Keine Schwäbin würde auch nur in ihren schlimmsten Albträumen daran denken, das Kalbfleisch (von der Schulter und nicht von der Lende) mit Zwiebeln, Kapern oder gar Safran zu schmoren. Das Kalbfleisch wird separat in würziger Brühe nebst Suppengrün, etwas Zitrone und Gewürzen (Wachholderbeeren, Nelken, Lorbeer) sanft gegart. Die Einbrenne, sprich Sauce, wird getrennt zubereitet, mit der aromatischen Kalbsbrühe und Weißwein abgelöscht und mit Sahne und Eigelb verfeinert. Nicht einmal bei dem fanzösische Pendant Blanquette de Veau, das Herr Siebeck als frankophiler Gastro-Apostel eigentlich kennen müsste, wird das Kalbfleisch mit Zwiebeln geschmort und mit Safran "verfeinert".  Blanquette de veau wird im Prinzip zubereiet wie eingemachtes Kalbfleisch. Mag sein, daß Herr Siebeck sich in der französischen Küche auskennt. Von der schwäbischen Küche hat er jedenfalls wenig Ahnung. Auch gibt es bei manchen Klassikern, ob sie nun aus der deutschen oder französischen Gastronomie entstammen, nichts zu verbessern oder zu verfeinern. Sie fallen im Moment sogar in den neuen Trend der Gastronomie, Simplexität genannt. Das Wort ist zusammengesetzt aus simpel und komplex. Genau das ist ein schwäbisches eingemachtes Kalbfleisch bzw. das Blanquette de veau: simpel und komplex zugleich. Aber immer ein Festessen.
 Der Name dieses schwäbischen Kalbfleischgerichts rührt daher, daß die Hausfrauen in Zeiten, als es im Haus weder Kühlschrank noch Gefrierschrank gab, um Zeit und Energiekosten zu sparen, größere Mengen Kalbfleisch auf einmal kochten. Diese wurden dann als Vorrat in Weckgläser eingemacht und so haltbar gemacht, im Keller oder der Speisekammer aufbewahrt.
Eingemachtes Kalbfleisch auf schwäbische Art
1 kg Kalbfleisch (Schulter) ohne Knochen
Für die würzige Brühe:
Suppengrün (Karotte, Pastinake, Sellerie, Lauch, etc.)
Salz
1 weiße Zwiebel
1 Zitronenscheibe
Gewürze (Lorbeerblatt, Macis, Wacholderbeeren, Thymian, Pfefferkörner,  Nelken, 1-2 Pimentkörner)
1 l Wasser
Für die weiße Sauce:
500 ml Sud vom Kalbfleisch
30 g Butter
40 g Mehl
1 Zitrone (Saft ¼ Zitrone)
¼ l Weißwein (Riesling oder Silvaner)
1/8-1/4 l Sahne
1 Eigelb

Das Kalbfleisch in große Würfel schneiden. Suppengrün putzen und zerkleinern. Einen Topf mit Wasser aufsetzen, zum Kochen bringen, kräftig salzen und darin die Kalbfleischwürfel eine Minute blanchieren. Abgießen.

Wasser mit Suppengrün, Salz, Gewürzen und Kräutern und Zitronenscheibe zum Kochen bringen. Circa 10 Minuten leicht köcheln lassen. Dann die Kalbfleischwürfel zugeben. Langsam aufkochen und zugedeckt bei schwacher Hitze sieden, bis das Kalbfleisch weich ist. Das dauert circa anderthalb Stunden.

Für die Sauce eine helle Mehlschwitze zubereiten, die mit einen halben Liter Kalbssud aufgefüllt wird (durch ein Sieb gießen). Gut durchkochen lassen, damit der Mehlgeschmack verschwindet. Von der Sahne 4 El abnehmen und mit dem Eigelb verquirlen. Den Wein und die restliche Sahne zur Sauce zugeben. Dann die Sahne-Eigelb-Mischung mit dem Schneebesen einrühren. Mit Zitronensaft, Salz und weißem Pfeffer abschmecken. Die abgetropften Kalbfleischwürfel in die Sauce geben und kurz erhitzen. Nicht mehr kochen.
Dazu gehören  hausgemachte Spätzle  oder breite Nudeln (Bandnudeln) und ein grüner Salat.


2 Kommentare:

Unknown hat gesagt…

Eingemachtes Kalbfleisch ... ich liebe es. Es war das Leibgericht meiner Mama und ich mag es auch sehr gerne. Muss ich unbedingt mal wieder kochen.
Ganz liebe Grüße, Dinkelhexe Renate

Margit Kunzke hat gesagt…

@Dinkelhexe: Dankeschön, liebe Renate. Ja die Klassiker, sie tun ab und zu richtig gut, bei so vielen "ausgeklügelten" Gerichten, die man sonst findet ;-)