In Berlin, im Rheinland und in Hessen befanden sich die Soleier oft in einer rundum verglasten, mehrstöckigen, gekühlten Vitrine, dem sogenannten Hungerturm. Darin waren neben Soleiern noch andere kleine, deftige Gerichte wie Frikadellen, Schmalzbrote, Sülzen, Rollmöpse oder Mettwürstchen zu finden. Die scherzhafte Bezeichnung Hungerturm geht auf die Gefängnisbauten von Burgen und Stadtmauern zurück, in der vom Mittelalter bis zur frühen Neuzeit Verurteilte bei Wasser und Brot eingesperrt waren. Der Berliner Maler Heinrich Zille zeichnete in seinen Berliner Kneipenszenen oft diese Vitrinen.
Zilles Hungerturm |
Daß Soleier heute in Kneipen kaum noch zu finden sind, hat indirekt mit dem Rauchverbot zu tun. Als das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2008 quasi Toleranz für das Rauchen in sogenannten Einraumgaststätten forderte, ging es Soleiern, kalten Frikadellen, etc. an den Kragen. Denn das Gericht hat das Rauchen in Einraumkneipen zwar wieder erlaubt, jedoch mit der Einschränkung, daß dort keine „zubereiteten Speisen“ verabreicht werden dürfen. Damit wollten die Richter Restaurants von Kneipen abgrenzen. Wie absurd solche Urteile sein können, hat Gerhard Schoolmann in dem Blog Gastgewerbe Gedankensplitter auf herrlich satirische Weise beschrieben. Das wollte ich euch nicht vorenthalten.
Zum Glück ist das Herstellen von Soleiern in der eigenen Küche noch nicht verboten. Da meine Hühner jetzt im Frühjahr wieder eifrig legen, habe ich den Eierüberschuß ausgenutzt, um wieder einmal Soleier zuzubereiten. Das Rezept ist in etwa der Art nachempfunden, wie meine Großmutter ihre Soleier machte.
10 Eier
1 l Wasser
60 g feines Meersalz
1 TL gelbe Senfkörner
2 Lorbeerblätter
4 Pimentkörner
1 TL bunte Pfefferkörner
2-3 Gewürznelken
4 Wacholderbeeren
2-3 Zweige Bohnenkraut
1 Zweig Thymian
1 rote Zwiebel
wer will kann auch noch 1 TL Kümmel nehmen (ich wollte nicht)
50 ml Rotweinessig
eventuell ein paar braune Zwiebelschalen (wegen der Farbe)
Zwiebel häuten, halbieren und in Scheiben schneiden. Das Wasser mit Salz, Zwiebelscheiben, Kräutern und Gewürzen aufkochen. Circa 5 Minuten köcheln lassen. Dann die angepieksten Eier ins kochende Wasser legen und je nach Größe 8-10 Minuten kochen. Nicht zu lange kochen lassen, denn sonst bekommt das Eigelb einen unschönen, graugrünen Rand.
Eier herausnehmen und die Schale rundherum leicht anschlagen. Eier in ein großes Glas - am besten in ein Einweckglas - schichten. Die Salzlake samt Inhalt über die Eier gießen. Sie müssen komplett bedeckt sein.
Die Soleier mindestens 24 Stunden (besser 2 Tage) zugedeckt an einem kühlen Ort ziehen lassen. Sie sind etwa 7-10 Tage im Kühlschrank haltbar. Zu lange sollte man die Soleier allerdings nicht aufheben. Sie werden sonst innen grau-grün und ähneln mehr und mehr den 1000-jährigen chinesischen Eiern. Außerdem: Je länger die Eier in der Sole verweilen, desto salziger werden sie.
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